Bosnien unter Österreich-Ungarn

Bosnien unter Österreich-Ungarn

Der Berliner Kongress stellte 1878 das osmanischen Vilajet Bosnien unter österreichisch-ungarische Verwaltung. Formell blieb Bosnien noch bis zur Annexion 1908 Teil des Osmanischen Reiches.

Trotz des beträchtlichen Widerstands der Bosniaken unter Hadschi Loja wurde Bosnien im Okkupationsfeldzug von der österreichisch-ungarischen Armee besetzt. Die Verwaltung wurde dem gemeinsamen k. u. k. Finanzministerium übertragen. Die Beamten prägten in dieser Zeit den Doppelnamen Bosnien-Herzegowina (Bosna i Hercegovina), der bis heute die Bezeichnung des Landes ist.

Die k.u.k. Verwaltung schuf ein leistungsfähiges Schul- und Sanitätswesen und ermöglichte eine gute wirtschaftliche Entwicklung. Im Sommer 1879 wurde im Auftrag des gemeinsamen Ministeriums in Wien eine geologische Bestandsaufnahme von ganz Bosnien durchgeführt und eine erste zuverlässige geologische Übersichtskarte angefertigt. Die ausgiebige Liste der während der Okkupationszeit erstellten geologischen und mineralogischen Arbeiten entspricht dem Naturreichtum des Landes.

In dieser Zeit begann die industrielle Ausbeutung der Bodenschätze und Wälder Bosnien-Herzegowinas, wobei jedoch mit Augenmaß vorgegangen wurde (u. a. Aufforstungsprojekte). Schmalspurige Eisenbahnlinien und wichtige Fernstraßen wurden errichtet.  

Der Islam wurde als gleichberechtigte Religion staatlich anerkannt. Österreich-Ungarn war zu Beginn des 20. Jahrhunderts der einzige christlich dominierte Staat, der gesetzlich geregelte Beziehungen zu einer muslimischen Glaubensgemeinschaft unterhielt und daher unter anderem auch muslimischen Religionsunterricht an den Schulen erteilen ließ, Militär-Imame in der Armee unterhielt, eine muslimische Gefangenenseelsorge organisierte, den religiösen Einrichtungen das Selbstverwaltungsrecht einräumte und ihnen den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts gab. Das aus diesem Anlass 1912 erlassene Islamgesetz stand bis zu seiner Novellierung 2015 weitgehend unverändert in der Republik Österreich in Kraft.  

Die formelle Annexion von Bosnien-Herzegowina durch Kaiser und König Franz Joseph I. am 5. Oktober 1908 löste eine europäische Krise aus. Das Land wurde auch jetzt keinem der beiden Teilstaaten Österreich-Ungarns zugeteilt, sondern weiter vom gemeinsamen Finanzministerium verwaltet. Das besondere Verwaltungsgebiet hatte seine 1910 definierte eigene bosnisch-herzegowinische Landesangehörigkeit.

Der Monarch erließ am 17. Februar 1910 ein Landesstatut (die Landesverfassung inkl. Grundrechte der Bürger), eine Landtagswahlordnung, eine Landtagsgeschäftsordnung, ein Vereinsgesetz, ein Versammlungsgesetz sowie ein Gesetz über die Bezirksräte. Vor dem Ersten Weltkrieg wurden 1910 Landtagswahlen abgehalten.

Franz Ferdinand – Franz Josephs Thronfolger – wollte den slawischen Völkern den gleichen Status einräumen, den die Ungarn bereits hatten. Trotz dieser proslawischen Einstellung (seine Frau Sophie Chotek war eine tschechische Gräfin) fiel er am 28. Juni 1914 bei einem Besuch in Bosnien dem Attentat eines serbischen Fanatikers zum Opfer.

Dieses Attentat war der Anfang vom Ende der österreichischen Herrschaft in Bosnien.

Der bosnische Schriftsteller Alija Nametak, gest. 1987, schrieb in einer seiner Novellen: „Infolge des Umbruchs von 1918 zogen die Österreicher aus dem Land; mit ihrem Abzug endete bei uns auch die Gerechtigkeit“.

 

Literatur

  • Noel Malcolm: Bosnia. A Short History. London 1994.
  • Friedrich August von der Heydte: Die Monarchie, Wien 1993
  • Smail Balic: Bosnien und der deutschsprachige Kulturraum, Köln 1992
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