Bosnier unter den Osmanen

Bosnien unter den Osmanen

Obwohl das Königreich Bosnien bereits im Jahre 1463 von den Osmanen erobert wurde, wurden die nördlichen Territorien vom ungarischen König Matthias eingenommen. Nachdem die Osmanen die ungarische Armee in der verhängnisvollen Schlacht von Mohács im Jahr 1526 zerschlagen hatten, wurden die Ungarn endgültig vertrieben.

Obwohl Bosnien nun von Muslimen regiert wurde, verfolgten die Osmanen nicht vordergründig das Ziel, den dort lebenden Menschen den islamischen Glauben aufzudrängen. Vor allem wollten sie das Territorium unter osmanischer Herrschaft behalten.  Menschen christlichen oder jüdischen Glaubens war es nach wie vor erlaubt, ihre Religion auszuüben. Es war beispielsweise möglich, dass ein Christ zum Spahi wurde, ohne auf seinen eigenen Glauben verzichten zu müssen, solange er dem Osmanischen Reich gegenüber Loyalität bewies. Das osmanische Feudalsystem wurde übrigens von Anfang an auf Bosnien übertragen.

Jeder sogenannte Sandžak war zwar eine große und wichtige Region des Osmanischen Reiches, zugleich aber selbst eine Unterteilung des Eyalets, der größten konstituierenden Einheit des Reiches. Der erste Sandžak, der nach der Eroberung Bosniens gegründet wurde, war Bosnien selbst, mit Verwaltungssitz zunächst in Sarajevo (bis 1553), danach in Banja Luka (bis 1639), dann wieder in Sarajevo (bis in die 1690er Jahre) und schließlich in Travnik.

Der Sandžak von Zvornik im Nordosten wurde etwas später errichtet, sowie der Sandžak der Herzegovina im Jahre 1470. Diese und weitere Sandžaks in den Nachbarländern bildeten bis 1580 das Eyalet von Rumelia, bis schließlich die Entscheidung gefällt wurde, dass aus ihnen ein neues Eyalet – nämlich das Eyalet von Bosnien – geschaffen werden soll. Dadurch entstand eine Einheit, die das heutige Bosnien und Herzegovina, sowie einige benachbarte Teile Slawoniens, Kroatiens, Dalmatiens und Serbiens umfasste.

Mittlerweile ist bekannt, dass die Ankunft der Osmanen im 15. Jahrhundert wohl nicht den ersten Kontakt zwischen Bosnien und dem Islam darstellte. Nichtsdestotrotz offenbaren die sogenannten Defter aus jener Zeit, dass der Prozess, durch den die MuslimInnen in Bosnien zu einer Mehrheit wurden, um die 150 Jahre während der Osmanischen Herrschaft andauerte. Aus diesem Grund erweisen sich einige Theorien über die „Islamisierung“ Bosniens schlichtweg als falsch. Darunter fallen beispielsweise die Idee einer systematischen Massenansiedlung von MuslimenInnen von außerhalb und die Idee einer gewaltsam erzwungenen Massenkonvertierung in den frühen Jahren nach der Eroberung. Obwohl jene Art von Zeugnissen fehlt, welche die persönlichen Intentionen der Menschen bezüglich der Konvertierung offenbaren würde, existieren Kommentare, die zeigen, dass die Menschen aus freien Stücken konvertierten.

Jene Städte, welche die Sitze der Sandžak-begs wurden, wie etwa Banja Luka, Travnik oder Livno, erhielten sehr schnell ihren muslimischen Charakter, während eine solche Entwicklung in anderen Teilen Bosniens langsamer vonstattenging. In den Städten Mostar und Sarajevo, die sich ab der Mitte des 15. Jahrhunderts stark entwickelten, war der Islam von Anfang an präsent.

Die Geschwindigkeit der Entwicklung war beeindruckend. In den ersten 15 Jahren hatten die Osmanen beispielsweise eine Moschee, einen Hamam, eine Brücke über den Fluss Miljacka und den großen Markt im Herzen der Stadt errichtet. Obwohl ein Großteil der Stadt aufgrund eines ungarischen Überfalls 1480 niederbrannte, wurde die Stadt schnell wieder erbaut und erweitert.

Sarajevo erreichte seine Blütezeit unter Gazi Husrev-beg, welcher neben der bekannten Moschee (Begova džamija) in der Altstadt Sarajevos unter anderem eine Bibliothek, einen Hamam und einen Bezistan (Markthalle) errichtete. Im Jahre 1530 gab es in Sarajevo 6 Brücken, 6 Hamams, 3 Bezistans, mehrere Bibltiotheken, 5 Medresen, mehr als 90 Mektebs und über 100 Moscheen.

Im weiteren Verlauf waren das 17. und das 18. Jahrhundert von Kriegen gekennzeichnet. Einer der wichtigsten Kriege, von dem sich das Osmanische Reich nie wirklich erholte, war der Krieg gegen Habsburg von 1683 bis 1699. Nichtsdestotrotz konnten die Habsburger von den Osmanen zurückgedrängt werden, aber der Vertrag von Karlowitz, der den Krieg 1699 beendete, zeigte, dass die Osmanen ihren Einfluss in Europa immer mehr verloren.

Ungarn und Siebenbürgen wurden Habsburg und große Territorien Dalmatiens und Griechenlands Venedig zugesprochen. Der Krieg, der bereits ein paar Jahre später folgte, brachte den Osmanen durch Prinz Eugen erneut eine große Niederlage ein. Aber die bosnischen Verteidigungskräfte hielten dennoch stand. Im Vertrag von Passarowitz im Jahre 1718 erhielt Österreich schließlich einen Streifen des bosnischen Territoriums südlich der traditionellen Grenze (Fluss Sava) und das venezianische Dalmatien zog weiter ins Landesinnere, womit eine Linie gezogen wurde, die seitdem die südwestliche Grenze von Bosnien bildet.

Als der Vertrag von Passarowitz seitens Österreichs im Jahre 1736 verletzt wurde und die Habsburger in Bosnien eindrangen, vermuteten sie einen raschen Sieg. Sie hatten jedoch nicht mit Hekim-oglu Ali-paša gerechnet, der mit großer Geschicklichkeit die Verteidigung organisierte. Im darauffolgenden Jahr besiegte er die österreichische Armee in der Schlacht von Banja Luka und die Österreicher verzichteten auf das gesamte Gebiet südlich des Flusses Sava, abgesehen von einer Festung, woraus die nördliche Grenze Bosniens resultierte. In den nächsten 50 Jahren erlitt Bosnien keine ausländischen Invasionen, aber der Krieg, der 1788 begann, enthielt nun eine ernstere politische Dimension als seine Vorgänger.

Es gab nun den Plan, die osmanischen Gebiete auf dem Balkan zu übernehmen und sie daraufhin zwischen den christlichen Reichen Österreich und Russland aufzuteilen. Bereits Anfang 1788 marschierten die Österreicher in Bosnien ein, wurden jedoch nicht als „Befreier“ willkommen geheißen. Bevor allerdings das „politische Muster“ des 19. Jahrhunderts vollkommen gebildet werden konnte, gab es durch die napoleonischen Kriege eine massive Unterbrechung des internationalen Systems. Als sich schließlich die Franzosen im Jahre 1813 von den „Illyrischen Provinzen“ zurückzogen, wurde die österreichische Herrschaft wieder aufgenommen.
 

Literautur:
Noel Malcolm: Bosnia. A short History. London: Papermac 1994.

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